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A case of Arithmancy – Erlanger ÖPNV goes Boink

Foto: Strassenbahn in Nürnberg

Einn Gastartikel von Thomas Tikwinski.

Hinweis: Dieser Artikel stellt keine offizielle Position der Piratenpartei Erlangen dar. Wir stehen jedoch doch für, allen Bürgern Raum für Meinungen und Anregungen zu geben.

Die Stadt Erlangen plant, ihre Probleme mit dem täglichen Pendlerverkehr durch den Bau einer “Stadt-Umland-Bahn” (StUB) in den Griff zu bekommen. Schon lange geistert die StUB als “Jahrhundertprojekt” durch die (leider erbärmliche) Erlanger Lokalpresse. Mit weit über 200 Millionen Euro Investitionsvolumen ist das Projekt für Erlanger Verhältnisse zumindest gewaltig, im Verhältnis zu selbst den optimistischsten Schätzungen über erreichbare Entlastungseffekte allerdings ausgesprochen fragwürdig. Soll hier Verkehrsinfrastruktur geschaffen werden – oder ist das Projekt nur wieder mal zu groß zum Scheitern? Gibt es Alternativen? Ihr werdet sehen, es gibt.
Zunächst mal steht völlig außer Frage, dass Erlangen ein Problem mit dem Pendlerverkehr hat. 92.000 Arbeitsplätzen bei – Umland mitgerechnet – 106.000 Einwohnern führen unweigerlich zu einer täglich wiederkehrenden Blechlawine, die sich insbesondere von Osten und Westen in die Stadt wälzt. Eine Lösung muss also her. Im Moment werden dafür zwei Alternativen diskutiert:

Entweder man optimiert den Busverkehr – hauptsächlich durch den längst überfälligen Bau des Kosbacher Damms exklusiv für ÖPNV-Nutzung. Oder man baut die Stadt-Umland-Bahn (die pikanterweise früher schon mal als “Seku” von  Erlangen nach Gräfenberg fuhr. Sie wurde stillgelegt, um dem Autoverkehr Vorrang zu geben und weil es immer wieder zu Unfällen kam). Die StUB würde T-Förmig von Herzogenaurach über Erlangen bis Neunkirchen am Brand (evtl. Eschenau), und von Nürnberg-Thon an der B4 entlang nach Erlangen führen.

Die vereinfachte Fassung der Rechnung, die die Stadt aufmacht, geht so:

Bus-Optimierung:
– kostet 12 Mio (davon 10 Mio die neue Brücke)
– bringt 17 Mio PKW-Kilometer Entlastung im Jahr

Stadt-Umland-Bahn:
– kostet 280 Mio (davon 126 Mio von der Region zu tragen, 72 Mio von der Stadt Erlangen)
– bringt 30 Mio PKW-Kilometer Entlastung im Jahr

Jetzt könnte man sagen “Hey, beim Bus bekomme ich den Entlastungskilometer schon für unter einen Euro, bei der StUB kostet er mich fast 2,50€ – ich bin doch nicht blöd.” Aber in der Politik ist leider nicht Geiz geil, sondern Prestige.
Natürlich kann man noch in Betracht ziehen, wie viel Mehreinnahmen der VGN durch die Alternativen jeweils hat und wie viel Instandhaltungskosten das pro Jahr jeweils verschlingt… aber Ihr ahnt es schon: es wird nicht besser. Die StUB bleibt ein Kostengrab mit fadenscheinig schöngerechneten Verkehrseffekten.

Soweit handelsübliche Kommunalpolitik, nur etwas größer.
Ich will aber eigentlich auf was ganz anderes hinaus, ich mache nämlich mal ein paar lustige Rechenspielchen:

Option 1: Fahrscheinloser ÖPNV

Sagen wir mal die StUB hat eine Lebensdauer von 100 Jahren. Ich bin Optimist. In dieser Zeit spart die StUB also 3 Milliarden PKW-Kilometer (Respekt!). Durch schlichte Division erfahren wir, dass jeder dieser nicht gefahrenen Kilometer so mit rund 9 Cent gesponsert wird. Sagen wir weiter, ich nehme in Zukunft die StUB und lasse das Auto stehen. Im Moment fahre ich 10km zur Arbeit, einfach. Macht 20 nicht gefahrene Kilometer täglich oder 1,80 Euro Sponsoring. Uiuiui. Bei 20 Arbeitstagen im Monat sind das stolze 36 Euronen, und im Jahr (mit 180 Arbeitstagen gerechnet) 324 Euro. Also bekomme ich von den 280 Millionen insgesamt 32.400 Euro ab.

Und jetzt wirds lustig: Wenn ich diese 32.400 Euro nämlich nehme und auch nur zu 2% Zinsen anlege – trägt sich das von selbst. Ich kann die 38 Euro bis in alle Ewigkeit bekommen. Nehme ich 4% Verzinsung an, kann ich monatlich sogar 107 Euro bekommen – und das Geld reicht trotzdem ewig. Für dieses Geld bekomme ich beim VGN ein Jahresabo der Preisstufe 6. – Dämmert’s?

Das heißt: wir brauchen die StUB gar nicht zu bauen. Wir nehmen einfach das Geld und legen es konservativ an, und von den Zinsen sponsern wir Jahresabos für jeden, der nachweislich sein Auto stehen lässt – bis die 30 Mio Kilometer im Jahr voll sind. Keine Baustellen, kein Unterhalt, keine Betriebskosten – nur deutlich mehr Busse, die den Netztakt verkürzen – und damit voraussichtlich noch weitere Autofahrer zum ÖPNV locken.

Die Piraten haben derneulich vorgeschlagen, den komplett fahrscheinlosen ÖPNV einzuführen. Für Erlangen und Umgebung hätte ich da ne warme Empfehlung, was die Finanzierungsseite angeht.

Option 2: Die Segway-Stadt

Was glaubt Ihr wohl was passiert, wenn ich die 280 Millionen nehme, die wir da verbauen wollen, damit zur Firma Segway gehe und sage “Jungs: Ihr könnt die haben. Dafür hätten wir gerne eine Sonderedition ‘Erlangen’ mit 50% Rabatt (also 4.000 Euro pro Stück), 1.000 Stück pro Jahr, der Auftrag läuft mindestens 10 Jahre mit Option auf jeweils weitere 10 Jahre Verlängerung.” Ihr ahnt es schon: auch dieses Segway-Abo könnte ich in alle Ewigkeit fortsetzen. Das gleiche funktioniert natürlich auch mit jedem beliebigen anderen Elektro-Roller o.ä. in der gleichen Preisklasse (und das sind die meisten derzeit verfügbaren Modelle).
Auch hier: kein Bau, keine Investitionskosten, kein Betrieb, kein Unterhalt.
Aber: DAS HIER wäre eine Werbung für den Hightech-Standort Erlangen, die man nicht mit Geld bezahlen kann.

Und wohlgemekt: die 280 Mio Euro gehen in beiden Fällen nicht verloren, die liegen nur auf der hohen Kante.

Ich finde ja, der Stadtrat sollte nochmal darüber nachdenken, ob er das Geld wirklich in Form von Schienen im Boden verbuddeln will.