Bayern

München: Abschied von Freier Software auf Raten

Der Stadtrat in München hat gegen die Stimmen der CSU 2003 beschlossen, die IT der Stadtverwaltung zu vereinheitlichen und dabei nicht mehr auf Windows zu setzen, sondern auf Linux. In der Folge wurde ein Basis-Client auf Basis von Debian mit OpenOffice als Anwendung für Textverarbeitung und Tabellenkalkulation entwickelt und ab 2006 in den verschiedenen Referaten ausgerollt.

Bis 2010 war die Umstellung auf LiMux abgeschlossen, in der Zwischenzeit wurde die Basis von Debian auf Ubuntu umgestellt, OpenOffice durch LibreOffice ersetzt. In einigen Referaten sind trotzdem noch Windows-Rechner im Einsatz, weil Fachanwendungen teilweise nicht für Linux verfügbar sind.

Natürlich gab es Probleme bei der Umstellung, die teilweise darauf zurückzuführen sind, dass bestimmte Hardware wie Kartenleser nicht mit Treibern für Linux ausgeliefert wird. Andere Probleme waren durch die Neuorganisation aufgetreten, weil die einzelnen Referate bei der IT-Infrastruktur nicht mehr alles komplett selbst entscheiden konnten, sondern auf den Eigenbetrieb IT@M angewiesen waren.

Insgesamt war es ein voller Erfolg: Während andere Städte teilweise bis heute mit veralteten Windows-Versionen in der Verwaltung arbeiten, hatte die Stadt München ein modernes Betriebsystem. Durch die Eigenentwicklung konnten die Rechner länger betrieben werden, insgesamt sparte die Entwicklung von LiMux und der Mischbetrieb über 10 Mio. Euro gegenüber einer reinen Windows-Umgebung ein.

Das Gutachten und die Folgen

Der bei der Wahl 2014 neu gewählte OB Dieter Reiter (SPD) hat sich schon früh als Microsoft-Fan geoutet. Als es im Stadtrat mit der Fortsetzung der Kooperation von SPD und Grünen nicht mehr reichte, ging er ein Bündnis mit der CSU ein. Somit war der Weg frei, um von LiMux zu Windows zu wechseln.

Zur Vorbereitung wurde ein Gutachten bei Accenture in Auftrag gegeben, in dem über die Zukunft der IT in der Stadtverwaltung berichtet werden sollte.

Das Gutachten mit über 450 Seiten kam zum Ergebnis, dass die Probleme mit der IT nicht am Betriebsystem liegen, sondern an der Organisation der IT. Es wurde als primäre Maßnahme eine Umstrukturierung der IT empfohlen; auf der Softwareseite schlug man einen Mischbetrieb von Windows und Linux vor.

Eigentlich war somit das Thema Ende 2016 abgehakt.

Anfang 2017 wurde dann kurzfristig eine Beschlussvorlage in den Stadtrat eingebracht, die die Empfehlungen des Gutachtens umsetzen sollte. Dabei auch der Hammer: Es soll komplett auf Windows migriert werden. Die Detailfragen dieser Migration soll dann in weiteren Beschlüssen nach und nach umgesetzt werden.

Nach dieser Entscheidung hat sich ein Aktionsbündnis für den Erhalt von Freier Software in der Münchener Stadtverwaltung gegründet, das vor der Stadtratssitzung vom 23.11. eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht hat.

Der aktuelle Beschluss

Die Lage in der Stadtverwaltung stellt sich wie folgt dar: Es gibt einen Mischbetrieb von LiMux- und Windows-Basis-Clients, jeweils mit LibreOffice. Die Windows-Clients werden aktuell mit Windows 7 betrieben, für das der Support im Januar 2020 endet. Im Kreisverwaltungsreferat (KVR), also dort, wo Bürger wegen Umzügen, Personalausweisen. Reisepässen und KFZ-Anmeldungen regelmäßig mit der Stadtverwaltung in Berührung kommen, werden die Rechner komplett mit Windows betrieben. Im KVR gibt es aber immer wieder Probleme mit der IT, die regelmäßig wegen Unkenntnis oder Absicht aber LiMux angelastet werden.

Beschlossen wurde jetzt die Entwicklung einen neuen Windows-Basis-Clients bis 2020, sowie der Umstieg von LibreOffice auf Microsoft Office. Die Kosten für den Windows-Basis-Client betragen dabei nach aktueller Schätzung ca. 49 Mio. €, wobei alleine die Lizenzen mit 29,9 Mio. € zu Buche schlagen. Hier werden jetzt bereits 6.000 Lizenzen für Microsoft Office angeschafft.

Gerade der Umstieg auf Microsoft Office ist das Hauptproblem: Dort wird die Umstellung von über 12.000 Makros nötig sein, Schätzungen gehen von Kosten bis zu 2.500 € pro Makro aus. Wir reden hier also von ca. 30 Mio. € für die Migration, die noch nicht im Kostenrahmen enthalten sind.

Es wird noch eine neue Version des LiMux-Basis-Clients geben, die nach dem Release von Ubuntu 18.04 LTS entwickelt werden soll. Für dieses System wird der Support im April 2023 auslaufen.

Eine neue Version des Windows-Basis-Clients wäre mit dem Ende des Supports für Windows 7 sowieso nötig gewesen. Der Zeitplan sieht jetzt schon vor, dass Windows-Systeme ohne Sicherheitsupdates betrieben werden, da der Roll-Out erst ab 2021 beginnen wird, ohne dass Verzögerungen eingeplant sind. Falls es zu Problemen kommt, kann bis 2023 noch eine neue Version eines LiMux-Clients entwickelt werden.

Probleme ergeben sich auch bei der Suche nach neuem Personal: Es ist schon schwierig genug, die Stellen bei IT@M zu besetzen, da die Bezahlung nach TVÖD nicht mit der freien Wirtschaft mithalten kann. Viele LiMux-Entwickler sind zur Stadtverwaltung gekommen, weil sie das Projekt für interessant halten und weil sie ideell zu Freier Software stehen. Das ist bei Windows-Entwicklern nicht der Fall.

Über weitere Schwierigkeiten bei der Ausgestaltung habe ich mich auf Twitter anhand der Stadtratsvorlage bereits näher geäußert.

Wie sehen jetzt die weiteren Schritte der Piraten aus?

Die Piraten werden weiter im Bündnis arbeiten und den Kontakt mit Stadträten suchen, um auf dem Laufenden zu bleiben. Neben den Kosten gibt es noch andere Gründe, sich für den Erhalt von LiMux und Freier Software bei der Stadtverwaltung einzusetzen, wie ich in anderen Artikeln ausgeführt habe.

Als nächstes steht die Planung für den Umstieg von LibreOffice auf Microsoft Office mit der Migration sämtlicher Makros und Anwendungen an, insgesamt über 12.000 Stück. Hierfür wird es wohl in etwa einem halben Jahr eine Kostenschätzung und vermutlich Ausschreibung geben. Wenn dieser Umstieg verhindert werden kann, kann relativ leicht wieder auf LiMux migriert werden, falls es Schwierigkeiten mit dem neuen Windows-Basis-Client geben wird.

Ein Bürgerbegehren für den Erhalt von LiMux ist aus verschiedenen Gründen schwierig, wird aber auch im Rahmen des Aktionsbündnis weiter diskutiert werden. Ein Problem sind die Einschränkungen in §18a (3) der Bayerischen Gemeindeordnung, der „Fragen der inneren Organisation der Gemeindeverwaltung“ und die Haushaltssatzung ausschließt. Ein Text für ein Bürgerbegehren muss hier rechtlich korrekt formuliert werden, was Zeit in Anspruch nimmt. Ebenso ist die Hürde mit 27.000 Unterschriften in München ziemlich hoch.

Links:

https://de.wikipedia.org/wiki/LiMux


Hinweis: Diese Meldung ist ein Kopie vom Landesverband Piratenpartei Bayern.
Originalquelle aufrufen: München: Abschied von Freier Software auf Raten

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