Allgemeines Pressemitteilung

Kölner Beschneidungsurteil ist moralischer Meilenstein – Piratenpartei sieht Kinderrechte gestärkt

Tobias M. Eckrich

Dem  Urteil des Landgerichts Köln entsprechend erkennt die Piratenpartei Erlangen und Erlangen-Höchstadt an, dass Eltern im Rahmen des Sorgerechts das Recht haben, bestimmte Entscheidungen bezüglich ihres Kindes zu treffen, dass davon jedoch nur solche  Entscheidungen gedeckt sind, die dem Wohl des Kindes dienen, nicht jedoch solche Entscheidungen, die einen irreversiblen Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Kindes enthalten.

Der stellvertretende Kreisvorsitzende Franke Heinze:

„Ich schließe mich der Einschätzung von Serdar Akin, Bundesvorsitzender des Bundes der alevitischen Jugend an, der ausdrücklich fordert: „Mein Körper-Meine Entscheidung“. Ich selber habe als Mitglied der klinischen Ethikberatung am Uniklinikum die Problematik ritueller Beschneidungen am Uniklinikum bereits vor etwa zwei Jahren in die Ethikkommission eingebracht mit dem Ziel, ein Problembewußtsein zu schaffen. Dankenswerterweise ist eine intensive Debatte entstanden, die Meinungsbildung ist aber noch nicht abgeschlossen.“

Das Gerichtsurteil könne man man ein Stück weit als den Versuch verstehen,  Kinder in diesen Entscheidungsprozess einzubinden. Die Eltern diskutieren mitunter wochenlang mit ihren Söhnen welches Smartphone das richtige für sie ist. Dann kann und darf man sich auch nicht zu schade sein,  mit dem Sohn einige Stunden über dieses heikle Thema zu debattieren und dessen Einvernehmen zur Beschneidung einzuholen. Mit einem religionsmündigen Kind kann ein solches Gespräch geführt und dann gemeinsam entschieden werden.

Heinze weiter:

„Ich habe Verständnis, dass Juden und Muslime sich von dem Urteil bedroht und angegriffen fühlen. Diesen Sensitivitäten muss Rechnung getragen werden. Dies kann jedoch nicht erfolgen, indem die religiöse Beschneidung von Kindern dauerhaft entgegen unserer Gesetzesgrundlagen legalisiert wird.  Es ist vielmehr ein Kompromiss zu finden, der religiöse Beschneidungen unter kontrollierten Bedingungen für einen festgelegten Zeitraum straffrei stellt, um in dieser Zeit den Wandel in den Religionen, weg von Zwangsbeschneidung von Kindern und hin zu freiwilliger Beschneidung zustimmungsfähiger Erwachsener, aktiv voranzutreiben. Religionen haben sich immer wieder reformiert und modernisiert, um sich neuen gesellschaftlichen Gegebenheiten und Vorstellungen anzupassen. Die Abschaffung von religiöser Zwangsbeschneidung von Kindern ist ein weiterer solcher Schritt, der nötig, überfällig und – wie Reformbewegungen inbesondere im Judentum zeigen – auch möglich ist.  Die  Bundesrepublik Deutschland könnte eine Vorreiterrolle spielen in dieser Entwicklung hin zu einer fortschrittlichen menschlichen Gesellschaft, die die Rechte des Individuums, die Rechte des Kindes, in das Zentrum stellt und dort schützt, wo es sich nicht selbst schützen kann.

Wir unterstützen die liberalen und progressiven Theologinnen und Theologen im Judentum und Islam in ihren Bemühungen, für eine unblutige, schmerzfreie und nichtchirurgische Auslegung der entsprechenden religiösen Gebote  zu sorgen. Bis dahin sprechen wir uns für eine gesetzliche Übertragung des Eingriffs in staatliche Kliniken unter sterilen und schmerzfreien  Bedingungen aus, um das gesundheitliche Risiko sowie das Trauma zu minimieren sowie damit die Ärzte über die Risiken und Folgen aufklären können und müssen. Zustimmungsfähig sollten Kinder ab dem Alter der Religionsmündigkeit sein.

21 Kommentare zu “Kölner Beschneidungsurteil ist moralischer Meilenstein – Piratenpartei sieht Kinderrechte gestärkt

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  2. Ihr wollt wirklich warten, bis die Religionen dieses Ritual, geleitet von liberalen Theologen, von selbst abschaffen? Anders kann ich den letzten Abschnitt jedenfalls nicht verstehen.
    Ich sehe weder die Masse liberaler Theologen noch eine Chance für die, die Führung in ihren Religionen zu übernehmen. Ganz im Gegenteil. Damit läuft der Vorschlag in meinen Augen eher darauf hinaus, alles zu lassen wie es ist und lediglich die OP nur in Krankenhäusern durchführen zu lassen.
    Das wäre nun wieder, bei meinen Erwartungen an die Piraten, eine riesige Enttäuschung.

  3. Hier gilt: Letzter Satz: „Zustimmungsfähig sollten Kinder ab dem Alter der Religionsmündigkeit sein.“ Selbst die Übertragung auf Kliniken mit Anästhesie beim Eingriff wäre schon ein Riesenfortschritt für die betroffenen Kinder. Ausserdem vergiss nicht: Damit würde dieser Vorgang den theologischen Ritualcharakter verlieren und dieses ganze Bohei drumherum könnte nicht mehr stattfinden.

    Bisher gibt es ja gar keine Zustimmungspflicht der Kinder. Wenn man das auf 14 Jahre anheben könnte, wären wenigstens Dreiviertel der Beschneidungen vom Tisch, möchte ich wetten. Ausserdem würde der Gruppendruck wegfallen, der viele Eltern zu Beschneidung zwingt.

  4. Nehmt Eure demokratischen Grundrechte war, sprecht Eure gewählten Volksvertreter an. Macht Ihnen klar, daß Sie nicht den Wählerauftrag haben, den Schutz des Grundgesetz ausgrechnet den schwächsten in unserer Gesellschaft, den Kindern zu entziehen.
    Nutzt die sozialen Netzwerke, unterzeichnet Petitionen.
    Es geht um unser Grundgesetz und unsere Demokratie.
    Wehret den Anfängen.

    http://blog.phimose-info.de/2012/07/878-briefaktion-zum-beschneidungsgesetz/comment-page-4/#comments

    http://www.avaaz.org/de/petition/Stoppt_die_Beschneidung_von_Kindern_aus_religiosen_Grunden//?tta

    http://www.campact.de/campact/about/home

    http://www.change.org/petitions/leutheusser-schnarrenberger-sls-bmj-sch%C3%BCtzen-sie-k%C3%B6rperliche-unversehrtheit-von-kindern-beschneidung

  5. TierSchG

    Ausfertigungsdatum: 24.07.1972

    § 6
    (1) Verboten ist das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres.

    Tja, was nun?

  6. Ich meine es gehört zur Würde des Menschen, dass er nicht zum bloßen Objekt anderer herabgestuft wird. Die Beschneidung ist eine irreparable Verstümmelung des Menschen. Sie ist Eingriff in die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 II S.1 GG), das Selbstbestimmungsrecht bzw. allgemeine Handlungsfreiheit (Art.2 I GG) und als schwere Körperverletzung unter Strafe gestellt (§ 223 ff StGB).

    Ein Kind erlangt mit Geburt die Rechtsfähigkeit und genießt alle Rechte, insbesondere Schutzrechte und Pflichten, kann diese aber noch nicht gleich, sondern in der Regel erst mit Erlangung der Volljährigkeit ausüben.
    Das Erziehungsrecht der Eltern (Art. 6 GG) gibt keine Befugnis zur Einwilligung dieser Grundrechtsverletzung an Stelle des Kindes, da sie nicht dem Wohle des Kindes dient. Nicht einmal ein Familiengericht könnte eine dem Kindeswohl schädliche Entscheidung treffen. Ich bezweifle, dass der Bundestag dieses Recht per Gesetz herbeiführen darf.

    Das Recht auf freie Religionsausübung (Art. 5 GG) gibt keiner Glaubensgemeinschaft, auch nicht der jüdischen -ob mit oder gegen den Willen der Eltern- das Recht, eine rituelle Glaubenshandlung zu vollziehen, die ganz erheblich in die Rechts- und Lebenssphäre eines Menschen und damit in seine Grundrechte eingreift. Die Beschneidung ist so eine rituelle Glaubenshandlung, da sie zweifelsfrei zu einer Körperverletzung führt. Erforderlich und einzig geeignet ist ausschließlich die Einwilligung des betroffenen Menschen, also des Kindes. Da ein Kind, ob als Baby oder auch in einem späteren Entwicklungsgrad, keine rechtsgültige Willenserklärung abgeben kann, liegt im Fall der rituellen Beschneidung aus Glaubensgründen keine, die straf- oder zivilrechtliche Rechtswidrigkeit oder die Schuld ausschließende Einwilligung vor.

    Ob ein Mensch vor Erlangung der Volljährigkeit in einzelnen Rechtsgebieten bereits voll handlungsfähig sein kann oder nicht ist eine andere Frage. Bzgl. Religionsmündigkeit wird dies in Deutschland bereits vor dem 18 Lebensjahr gesehen. Ob die Einwilligung in eine irreparable Organbeseitigung mit Folgewirkung für das ganze Leben (Sexualität) und hohem Risiko (Sepsisgefahr) sowie erheblicher Einwirkung auf das Wohlbefinden (Schmerzerinnerung) aus Religionsmündigkeit heraus gegeben werden könnte, ist ein noch zu erörternde Frage. Religionsmündigkeit betrifft eigentlich nur die Entscheidungsfreiheit in Glaubensfragen und nicht die weitergehende Einwilligungsfreiheit zur Körperverletzung der vorliegenden Art.

    Wenn nun die Fraktionen von Union, FDP und SPD, wahrscheinlich im Gefolge der von der Kanzlerin herausgegebenen Linie der Staatsräson gegenüber den Juden als Glaubensgemeinschaft, eine Resolution verfassen und sich damit im Bundestag für das Recht auf religiöse Beschneidung einsetzen will, indem sie einfach so ein Gesetz beschließen, das diesen Einzelfall erlaubt, dann verlassen unsere Volksvertreter nicht nur den Pfad der Tugend, sondern auch unserer verfassungsmäßigen Ordnung.

    Das wird auch daran deutlich, dass der Antrag die Beschneidung aus religiösen Gründen ausdrücklich  von „sittenwidrigen Eingriffen“ wie etwa die weibliche Genitalverstümmelung abgrenzt. Wie kommen unsere Volksvertreter auf solch oberflächliche Betrachtungen und Vergleiche, die völlig außer Betracht liegen, denn es geht wohlgemerkt um irreparable Verstümmelung bzw. um die Beseitigung eines gesunden Organs eines Kindes. Die Verstümmelung der Geschlechtsorgane des weiblichen Körpers ist unter den gleichen Gesichtspunkten und Maßstäben zu messen. Beide Handlungen sind verwerflich.

    Der Gipfel der Dummheit ist wohl die in der Resolution vorgetragenen Auffassung bezüglich des Selbstbestimmungsrechts des Kindes, denn da heißt es, „die Eltern dürften bei Minderjährigen innerhalb der Rechtsordnung über das Wohl ihres Kindes bestimmen. Deshalb sei es zulässig, wenn Eltern der Beschneidung an der Stelle ihrer Kinder einwilligen würden.“ Genau das ist die Gretchenfrage: „Dürfen Eltern das Recht des Kindes auf einen wohlbehaltenen Körper, ohne das eine Gefahr für das Kindeswohl gegeben ist, d.h. ein medizinischer Grund für einen Eingriff gegeben ist?“ Nein, das dürfen sie nach unserer Rechtsordnung eben nicht. Im Gegenteil, das Kind hat ein Recht auf Schutz vor solchen Eingriffen und insbesondere einen Anspruch an den Gesetzgeber und das sind nun mal unsere Abgeordneten, auf Schutz ihres Grundrechtes auf körperliche Unversehrtheit. Die Abgeordneten wollen sich wohl nunmehr darüber hinwegsetzen. Ich bin darüber entsetzt und kann dies nicht für gut heißen.

    Letztlich muss jeder für sich entscheiden dürfen, ob er sich ohne gesundheitlichen Hintergrund, also z.B. aus religiösen Gründen beschneiden, verstümmeln oder sonst wie beeinträchtigen lassen will oder nicht, aber eben erst, wenn er einwilligungsmündig ist, den nur dann ist er hinreichend verständig.
    In dieses Recht einzugreifen, steht dem Gesetzgeber wegen dessen Bindung an die verfassungsmäßige Ordnung (Art. 20 III GG) nicht beliebig frei, da im Art. 79 III GG ausdrücklich und unabänderlich festgelegt ist, dass eine Änderung des GG, welche den Art. 1 GG (Menschenwürde/unmittelbar geltende Grundrechte) berühren, unzulässig ist. Ein Gesetz, das den Kernbereich der jeweilig betroffenen Grundrechte aushöhlt, wäre verfassungswidrig. Da hilft auch keine Konkordanzabwägung zur Glaubensfreiheit oder dem Erziehungsrecht der Eltern. Verstümmelung aus Gründen der Glaubensfreiheit steht nicht zur Abwägung, weil die Beschneidung nicht unabdingbare Voraussetzung zur Glaubensausübung nach unserer rationalen, rechtsstaatlichen Verfassungsordnung ist. Daran ändern auch diverse Inhalte der Thora, die Bibel oder des Korans nichts. Verstümmelung ohne medizinisch notwendigen Grund verletzt das Kindeswohl und ist deshalb der stellvertretenden Willensbestimmung der Eltern entzogen. Stellen Sie, sehr geehrter Herr Abgeordneter nur mal vor, hier lebende, aus einer fremdem Kultur stammende Migranten, die einer Naturreligion angehören, wollen die Hälse ihrer Mädchen mittels Spiralringe zwangsverlängern (Afrika) oder die Harnröhre ihrer Buben an der Peniswurzel dauerhaft öffnen (Südamerika) oder die Eichel spalten (Südamerika) oder die Nasenscheidewand mittels dauerhaft getragenen Holzdorn durchbohren (Afrika, Südostasien, Papua), weil es der Glaube traditionell so verlangt. Niemand käme wohl auf den Gedanken, solch archaische Religionsvorstellungen per Gesetz privilegieren zu wollen. Warum also in diesem Falle?

    Bisher war dies in der Bundesrepublik offensichtlich alles kein Problem, weil, „wo kein Kläger, da kein Richter„, also eine Kultur des Wegschauens nicht nur zu dieser Frage wohl weit verbreitet ist. Jetzt wird es zum Problem, weil es einen Richter gibt, der dieses wegen seiner gesellschaftspolitischen Bedeutung zugegeben „heiße Problem, entscheiden musste. Das Kölner Gerichtsurteil verdient Beachtung und die Richter Respekt für ihre Entscheidung.

    Ich appelliere an ihren Abgeordneten- aber auch Gewissensauftrag, Schaden vom Wohle der Menschen abzuwenden und sich für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung einzusetzen.

    Ich bin mir durchaus der prekären Lage bewusst, doch frage ich mich schon, wo will der Gesetzgeber die Grenzen ziehen. Grund- und Menschenrechte müssen das Maß der Dinge sein. Das hat uns die Geschichte wohl gelehrt. Es liegt an uns und damit insbesondere an auch an Ihnen als Volksvertreter zu zeigen, ob wir dies verstanden haben. Es wäre wohl fehl am Platze, die berechtigte Sorge um den Schutz des Kindeswohl als rechtsextreme Fehlgeleitetheit abzustempeln und damit die Menschen mundtot zu machen.

    • Hallo Franz, auch wenn ich in rechtlichen Belangen nicht so fit bin, stimme ich Deinem Statement zu. Da mein Schreiben bereits an diverse MdBs ging, gebe ich es hier – leicht redigiert – wieder, auch wenn es Deinen Gedanken nahezu deckungsgleich entspricht.

      Das Recht auf freie Religionsausübung gibt keiner Glaubensgemeinschaft – ob mit, gegen oder ohne den Willen der Eltern – das Recht, Glaubenshandlungen an religionsunmündigen Kindern zu vollziehen, welche ganz erheblich in die Rechts- und Lebenssphäre dieser Kinder und damit in deren Grundrechte eingreifen; wobei die Beschneidung eines Minderjährigen eine Handlung ist, welche vom Recht auf freie Religionsausübung nicht tangiert wird und dieses Recht auch nicht beschränkt. Zur Beschneidung ist die Einwilligung (=rechtsgültige Willenserklärung) des betroffenen Menschen, also des Kindes erforderlich; dazu ist das Kind noch nicht in der Lage. Geschieht eine Beschneidung ohne Einwilligung machen sich jene schuldig, welche an Stelle des Kindes entscheiden und diese Handlung vornehmen.

      Die Beschneidung ist irreversibel und verstümmelt das Kind und stellt somit einen Eingriff auf das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit dar.
      Ein – wie auch immer formuliertes – Spezialgesetz zur Beschneidung von Kindern, stuft diese zu Objekten ohne Selbstbestimmung herab. Das Kind erlangt mit seiner Geburt die Rechtsfähigkeit, ist aber darauf angewiesen, dass Schutzrechte und Pflichten bis zu dem Zeitpunkt der eigenen rechtsgültigen Willenerklärung von (i.d.R.) den Eltern ausgeübt werden.
      Ich sehe nicht ein Recht der Eltern Grundrechte des Kindes verletzen zu dürfen (bzw. durch Einwilligung zur Beschneidung zu gestatten), weil diese Einwilligung nicht dem Wohl des Kindes dient. Allein gesundheitliche Notwendigkeiten versetzen die Eltern in die Lage zum Wohle des Kindes einen Eingriff zuzustimmen.

      Wie möchte man künftig Entscheidungen von Eltern, welche aus religiösen Gründen einer lebenswichtigen Operation nicht zustimmen, einordnen. Bisher hatte ich den Eindruck, dass weder die Legislative, Exekutive und Judikative eine Veranlassung sahen den Willen der Eltern zu respektieren, weil die Religionsausübung eben nicht an erster Stelle in unserer Gemeinschaft sondern an erster Stelle das Grundrecht steht – was ich begrüße.

      Mit dem Hinweis dem Kind die vollwertige Mitgliedschaft in einer Glaubensgemeinschaft – durch Beschneidung – zu gestatten, wird Ursache und Wirkung vertauscht. Unsere Gesellschaft hat sich aus gutem Grund das Grundgesetz, zur Basis des gesellschaftlichen Zusammenlebens, gegeben. Es ist daher nicht die Aufgabe des Gesetzgebers die Teilhabe eines Kindes an einer Glaubensgemeinschaft mit einem Spezial-Gesetz zu fördern, sondern vielmehr die Pflicht einer Glaubensgemeinschaft im Geltungsbereich des Grundgesetzes eine Teilhabe zu ermöglichen.

      Wie will sich der Gesetzgeber Verhalten, wenn aufgrund von Migration Mitglieder von Glaubens- oder Kulturgemeinschaften z.B. eine Vorhautentfernung der Klitoris (bei der milden Sunnah) oder eine Penisspaltung unterhalb der Eichel (wie bei einigen Aborigines) vollziehen wollen. Das Stückchen Vorhaut der Klitoris dürfte – anatomisch vollumfänglich – jenem des Penis entsprechen. Bei der Penisspaltung dagegen wird nicht einmal etwas entfernt. Ich bin in all diesen Fällen konsequent für die Unverletzlichkeit des Körpers, solange eine rechtsgültige Willenserklärung des Kindes bzw. des Heranwachsenden nicht möglich ist.

      Eine Diskussion dahingehend, dass eine Beschneidung der Vorhaut keinen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstellt ist pervers, weil dieser Eingriff offensichtlich ist. Nachrangige Hilfsargumente wie hygienische Erfordernisse, angebliche Schmerz- und Traumafreiheit während und nach dem Eingriff, keine Beeinflussung der körperlichen Unverletzlichkeit sowie eine Ungefährlichkeit des Eingriffes selbst, greifen nicht. Selbst unsere aktuellen Volksvertreter verkennen nicht, dass nach einer Beschneidung eine Wundheilung eintritt, während der Beschneidung eine Narkose oder Betäubung gewollt ist und nach der Operation Schmerzmittel verabreicht werden sollten.

      Eine Debatte was religions- und was kulturbedingt ist, lenkt ebenfalls von der Thematik ab, denn noch gibt es keine allgemeinverbindlichen Kriterien wie Religion von Kultur, in sensiblen Grenzfällen, unterschieden werden kann (was ist z.B. die Scientology Church eine Glaubensgemeinschaft im Sinne einer Religion – eine kulturelle Variante für Gruppen-Psychotherapie?).

      Warum musste das Kölner Gericht mit einer Entscheidung einbezogen werden? Nach meiner Kenntnis haben erst postoperative Komplikationen in einem erheblichen Umfang zur Anzeige und damit zur gerichtlichen Auseinandersetzung geführt. Es können demnach auch bei einer fachgerechten Beschneidung erhebliche gesundheitliche Auswirkungen nicht prinzipiell ausgeschlossen werden. Für mich ist dies ein ausreichender Grund, eine Beschneidung des unmündigen Kindes, ausschließlich beim Vorliegen von gesundheitlichen Erfordernissen zu gestatten. Die derzeitige Gesetzgebung wird dieser Forderung bei stringenter Beachtung gerecht.

      Falls ein Spezial-Gesetz zur Legalisierung der Beschneidung (aus religiösen Gründen und ohne rechtsgültige Willenserklärung des Kindes) geschaffen werden sollte, wird die UN-Kinderrechtskonvention dramatisch entwertet.

      Bedenken sollte man auch die Tatsache, dass das Leben immer “nicht selbstbestimmt” beginnt aber leider auch immer häufiger “nicht selbstbestimmt” endet. Wer würde wollen, dass ein bestellter Vormund (wg. eines religiös motivierten Pflegeheimes) auf die Idee käme, die Beschneidung der Penis- oder Klitorisvorhaut rechtsverbindlich zu erklären – oder will man künftig weitere Spezial-Gesetze mit unterschiedlichen Grundrechten für ältere oder nicht selbstbestimmte Erwachsene schaffen.

      Ich bin davon überzeugt es gibt keine Regelungslücke, weil das Grundgesetz einen eindeutigen Handlungsrahmen setzt und das Kölner Gericht sich mit seinem Urteil im Rahmen des Grundgesetzes bewegt hat – was hohen Respekt und Lob verdient.

      Kein Verständnis habe ich für jene Mainstream-MdBs aus CDU/CSU/SPD/Teilen der Grünen/FDP welche opportunistisch aus Gründen der politischen Korrektheit, wegen eines vermeintlichen Fraktionszwanges oder im vorauseilenden Gehorsam gegenüber der Regierungskoalition, Umgehungsgesetze zum Grundgesetz anstreben. Meine Hoffnung liegt insofern im noch ausserparlamentarischen Bereich bei den Piraten und im parlamentarischen Bereich bei der Partei die Linke und den wenigen „Selbstdenkern“ bei den etablierten Parteien.

  7. Tobias Frage

    Hi zusammen,

    ein wirklich sehr gelungene Stellungnahme. Ich werde anregen sie für unseren KV Landsberg zu übernehmen.

    • Das war auch eine sehr intensive und lange Debatte. Du kannst es im Syncforum nachlesen bei Interesse. Vielen Dank fürs Weiterverbreiten und ggf. Übernahme!

  8. Ênde gut alles Gut – zumindest was diese Pressemitteilung angeht finde ich ist es Dir, Frank, am Ende gut gelungen den Ausgleich zwischen dem empörten Ruf nach sofortigem Handeln und einem sanften aber bestimmten Druck auf die Akteure zu schaffen.
    Jetzt gilt es alles zu unterstützen, dass die Beteiligten weiter im Gespräch bleiben, ins Handeln kommen und am Ende die Kinder die Gewinner der Diskussion sind, weil sie selbst bestimmen aber auch ihre Religionszugehörigkeit ausdrücken dürfen werden.

    „So muss Politk …“ 🙂

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  10. Mag sein, dass ich zu alt bin, aber ich kann mit diesem von den Grünen zur absoluten Perversion getrieben GutmenschINNENtum und Empörungsgetue nichts anfangen. Mit welchem Recht mischen wir uns in irgendwelche religiösen Riten anderer Menschen ein? Wie würdet ihr euch fühlen, wenn irgendwelche Scientologen (oder sonstige Sekten oder Glaubensgemeinschaften) euch plötzlich vorschreiben, wie ihr zu leben habt?

    Mit welchem Recht entscheidet ihr, dass eure Lebensart die einzig richtige ist plötzlich für alle anderen Menschen auch zu gelten hat? Und die anderer Menschen zu verurteilen ist? Mich erinnert dieses „Ich-weiß-was-für-alle-anderen-gut-zu-sein-hat-und-zwinge-im-Notfall-die-anderen-zu-ihrem-Glück“ an eine Geisteshaltung, die ich zutiefst verurteile.

    Sorry für die klaren Worte, aber ich bin gerade am Überlegen, ob ich nicht doch in der falschen Partei bin.

    • Hallo Werner,
      ich glaub du missverstehst da was. Was obiger Beschluss sagst, geht doch genau in deine Richtung: Wir wollen eben, daß Kinder nicht ungefragt vorgeschrieben bekommen, was sie den Rest ihres Lebens zeichnet, sondern daß sie die Chance erhalten, selbst darüber zu entscheiden. Wir wollen gerade nicht, daß eine Lebensart oder Religion vorgeschrieben wird, sondern daß jeder Mensch sich selbst dazu entscheiden kann.

      Und Einmischung in den Bereich der Familie? Die Einmischung geht doch auch bei anderen Punkten schon viel weiter. Und das aus guten Gründen. Man darf auch seine Kinder nicht mehr schlagen oder mit dem Rohrstock prügeln, wie es vor 100 Jahren üblich war. Da hat sich der Staat ja auch „eingemischt“ und dies verboten.

  11. Nun, man kann das Ganze ja weiterdenken und herausfinden, dass ein Kind durch die Taufe einen Schock fürs Leben bekommt. Oder durch die Zugehörigkeit zu einer Religion Werte aufgezwungen bekommt, die nach Meinung anderer schlecht sind. Schwulenfeindlichkeit der katholischen Kirche zum Beispiel.

    In dem man in die Rechte der Familie eingreift, öffnet man eine Büchse der Pandorra. Das halte ich für weitaus gefährlicher.

    • @Werner, es gibt keine „Rechte der Familie“, weil es keine Gruppenrechte gibt. Grundrechte sind Individualrechte! Grundrechte sidin Abwehrrechte des Individuums gegen eine Gruppe (und den Staat).

      Eine Rechtsnorm, die noch nicht hinreichend gewürdigt wurde, ist der Artikel 140 GG; er schließt die Gültigkeit einiger Artikel der Weimarer Reichsverfassung ausdrücklich mit ein, u.a. auch:
      Artikel 136 WRV (4) Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden.

  12. Ich wurde damals mit 7 Jahren von vier Männern festgehalten, vom Onkel beschnitten (das ist durchaus üblich bei den Türken), das vor der ganzen Feierlichkeit und den Gästen und das wurde noch gefilmt und später gezeigt bei Besuchen. Das ist und war ein traumatisches Erlebnis für mich. Das Wohl einer ganzen Religion scheint wohl vom Zustand eines Kinder Glieds abzuhängen.

    • Anonymous

      Ich bin prinzipiell gegen ein Beschneidungsverbot, denn ich glaube, dass hier die Religionsfreiheit schwerer wiegt. Wenn aber
      1) ein 7-jähriger, der eine klare Entscheidung dagegen gefällt hat (ich verstehe dich so, dass das bei dir der Fall war)
      2) mit Gewalt festgehalten wird
      3) nicht von einem ordentlich ausgebildeten Chirurgen, sondern von einem Laien
      4) vor ganz vielen Leuten und
      5) vor laufender Kamera
      beschnitten wird und
      6) das Video dann auch noch ständig gezeigt wird,
      dann geht das IMHO sechsmal zu weit.

      Ich denke, falls es gegen einen dieser 6 Punkte noch keine Vorschriften geben sollte, muss da dringend was geändert werden.

  13. Es gibt nur ein einziges Menschenrecht: das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Wenn sich ALLE daran halten würden, gäbe es weder Syrien noch die Juden noch die Muslime und der ganze Blödsinn überall auf dieser idiotischen Welt hätte ein Ende..

    Aber leider werde ich nie eine intelligente Zivilisation erleben, sondern nur diesen jüdisch-christlich-muslimischen Blödsinn überall.. (mit einem IQ weit unter 200).

    PS:_ ).
    Jeder dumme Mensch, der glaubt, sich auch noch als „Jude“, „Muslim“, etc. outen zu müssen, hat nichts aus “der Geschichte” gelernt (ohne sog. „Juden“ hätte es ja auch keinen Hitler gegeben) => was wir brauchen sind endlich Menschen mit einem IQ über 200, aber keine kotz-dummen „Untermenschen“ und „Herdentiere“ mehr, die glauben es gäbe so etwas wie “unsere Penisse” („unser Volk“, “unser Verein”, “Unsere Nation” etc.)…
    Mein Gott, warum studiert niemand mehr Psychologie? In jedem Unterseminar könnt ihr lernen, was für eine bescheuert alte Konstruktion “in-groups”, “Herdentiere”, “Volksgefühle”, “peer-groups”, „meine Religionszugehörigkeit“ etc. sind.
    Es ist wirkllich zum Kotzen, dass ich nie in einer intelligenten Zivilisation werde leben können (IQ > 200).
    Geht doch mal endlich in die Schule oder studiert Psychologie!

  14. Beschneidungsriten, egal von wem an wem vorgenommen, egal aus welchem Grund und egal was am Körper eines Menschen beschnitten wird, sind bestialisch und grausam und durch nichts zu rechtfertigen, ausgenommen vielleicht der durch die Einwilligung des Betroffenen, wobei selbst da Menschenrechtsgrenzen zu setzen sind (Stichwort Käfigkämpfe bis zur Bewusstlosigkeit unter Inkaufnahme schwerster Verletzungen sind sittenwidrig und damit nicht vertraglich vereinbar).
    Kinder haben Rechte, das steht doch wohl außer Zweifel und dürfen nicht vom Zufall des Hineingeborens disponiert zur Beschneidung freigegeben werden, nur weil das die Religionsgemeinschaft der Eltern erwartet. Damit wären Kinder zum bloßen Objekt einer illegitimen Macht degradiert und ihrer Würde beraubt und das in einer Gesellschaft, die die Würde des Menschen und seiner Grundrechte zu Kern des Staatsgedankens gemacht hat.
    Wir müssen uns für unsere Parlamentarier, aber auch für die Kanzlerin schämen, so wie wir uns auf ewig für die Nazis schämen müssen. Damals hat man Menschen zuerst entrechtet und dann vergast. Heute entrechten wir wieder Menschen und lassen sie verstümmeln.
    Pfui, unsere Parlamentarier haben lobenswerter Weise den Tierschutz durchgesetzt, so dass z.B. Hunden nicht mehr der Schwanz abgeschnitten werden darf. Jetzt setzen sie durch, dass
    Menschen der Schwanz beschnitten werden darf.
    Was sind das bloß für primitive Leute. Wenn die glauben, dass das eine Wiedergutmachung für den Judenmord sein kann und deshalb Staatsräson wäre, fehlt ihnen jegliches Gewissen.
    Wer Verbrechen ermöglicht, macht sich mitschuldig, auch dann, wenn man im „hohen Hause“ sitz. Schämt euch ihr Resolutionsverabschieder und verabschiedet euch!

  15. Beschneidung von Untertanen in Cargo-Kulten

    Seine Jünger sagten zu ihm: „Nützt die Beschneidung oder nicht?“ Er sagte zu ihnen: „Wenn sie nützlich wäre, würde ihr Vater sie aus ihrer Mutter beschnitten zeugen. Aber die wahre Beschneidung im Geiste hat vollen Nutzen gefunden.“

    (Nag Hammadi Library / Thomas-Evangelium / Logion 53)

    Solange das Wissen noch nicht zur Verfügung stand, um das Geld an den Menschen anzupassen, musste der Kulturmensch durch eine künstliche Programmierung des kollektiv Unbewussten (geistige Beschneidung von Untertanen) an ein darum bis heute fehlerhaftes Geld angepasst werden. Das war (und ist noch) der einzige Zweck der Religion, die vom Wahnsinn mit Methode zum Wahnsinn ohne Methode (Cargo-Kult um die Heilige Schrift) mutierte und uns – unabhängig von „Glaube“ (Cargo-Kult) oder „Unglaube“ (Ignoranz) – alle zu Untertanen machte, die ihr eigenes Programm nicht kennen. Die Bewusstwerdung der Programmierung nennt sich „Auferstehung“:

    http://opium-des-volkes.blogspot.de/2011/07/die-ruckkehr-ins-paradies.html

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